Spielregeln für eine wertschätzende Praxiskultur

Der Alltag in der Radiologie kann stressig sein. Umso wichtiger sind der Zusammenhalt und Austausch unter Ärzten und nicht-ärztlichen Mitarbeitenden. Die dafür notwendige offene und positive Praxiskultur entsteht jedoch nicht von allein. Je bewusster gestaltet wird, desto eher kann sich ein Raum des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung entfalten. Am Ende stehen nicht nur zufriedene Mitarbeiter, sondern auch Zuweiser und Patienten. Denn: eine positive Praxiskultur wirkt nach innen und außen.

Die Praxiskultur schlägt sich im Führungsstil, der Arbeitsorganisation, der Verteilung von Verantwortung sowie der gelebten Innovations- und Fehlerkultur zusammen. Dabei entsteht eine Praxiskultur nicht von heute auf morgen, sondern wird in starkem Maße von der Historie der Praxis und den Persönlichkeiten der Praxisinhaber geprägt. Klar ist, dass alle, die in der Praxis arbeiten oder sie aufsuchen alles Sichtbare und alles Erlebbare wahrnehmen und daraus einen Eindruck gewinnen. Das beinhaltet:

  • alles Sichtbare: Praxisgebäude, Einrichtung, Farbgebung (inkl. Logo), Modernität, Arbeitskleidung etc.
  • Alles Erlebbare: Stimmung, Emotionalität, gelebte Werte und Wertschätzung, Riten & Regeln/Normen, Kommunikations-/Informationsstil, Umgangsformen

Ein plastisches Beispiel für Prototypen von Unternehmenskulturen fanden wir in einem von Ministerium für Wirtschaft RLP veröffentlichten Leitfaden zum Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke. Lesen Sie selbst und überlegen Sie, in welche Kultur Sie Ihre Praxis einordnen würden.

Drei Unternehmerkulturen mit typischen Verhaltensweisen der Mitarbeitenden:

1. Die Machtkultur, symbolisiert durch den Gorilla

Die Mitarbeitenden der Machtkultur sind:

  • eher zurückhaltend, was die Verarbeitung und Weitergabe von Informationen angeht.
  • in der Regel nicht darauf bedacht, die Entscheidungen „von oben“ in Frage zu stellen.
  • es gewohnt, dass der/die Geschäftsführende gerne nach dem Rechten sieht.
  • eher selten in die Findung unternehmerrischer Entscheidungen eingebunden.

Sätze wie „Fragt mich zuerst, bevor ihr weitermacht. Ich will nicht, dass Fehler passieren.“ hört man hier von Vorgesetzen öfters. Und auch das Thema Innovation „ist Chefsache, natürlich“.

2. Die Rollen-/Regelkultur in der Tradition der Biene

Die Mitarbeitenden der Bienenvolk-Kultur sind:

  • stets ausreichend mit den für sie notwendigen Informationen versorgt und auch bereit, diese an andere weiterzugeben.
  • dazu angehalten, ihre Arbeit nur dann in Frage zu stellen, wenn es ausdrücklich erwünscht ist.
  • ein gewisses Maß an Kontrolle gewöhnt.
  • vereinzelt in die unternehmerische Entscheidungsfindung eingebunden.

Fehler vermeidet man durch Einhalten der Regeln „Sind alle Vorschriften erfüllt? und „Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle muss trotzdem sein.“ Und auch das Innovationsmanagement läuft nach einem festgesetzten „betrieblichen Vorschlagswesen“.

3. Die Aufgabenkultur, verankert im Spirit Animal des Delfin

Die Mitarbeitenden der Delfin-Kultur sind:

  • dazu in der Lage, sich sämtliche Informationen – auch außerhalb ihres Wirkungskreises – zu verschaffen.
  • ausdrücklich dazu angehalten, über ihren eigenen Tellerrand hinaus zu schauen.
  • darauf bedacht, das eigene Verhalten sowie das Verhalten der anderen vorausschauend zu beobachten – denn jeder ist für jeden verantwortlich.
  • daran interessiert, die betrieblichen Abläufe im Sinne einer gemeinsamen Idee mitzugestalten.

Fehlerkultur? Alles scheint machbar à la: „Wenn es einer kann, dann ihr. Wenn nicht ihr, dann keiner.“ Daraus ergibt sich der Anspruch, jeder könne seinen Beitrag leisten und Innovation in die Praxis bringen. 

In welchem Spirit arbeitet Ihr Praxisteam? Während ein Gorilla den klassischen Patriarchen in einem Familienbetrieb symbolisiert, stehen Bienen für einen partizipativen Führungsstil, der häufig in etablierten Unternehmen mit stabilem Umfeld zu beobachten ist. Delfine schließlich repräsentieren einen offenen Führungsstil, in dem Hierarchien vor allem symbolischer Natur sind – gerade in Start-up-Unternehmen und instabilen Märkten anzutreffen. Eine ideale Unternehmenskultur und Arbeitgebermarke nach dem Motto „Eine für Alle“ gibt es nicht. Trotzdem wagen wir die Aussage, dass sich (potentielle) Mitarbeiter eher von der Delfin- als von der Gorilla-Praxis angesprochen fühlen. Praxiskultur entwickelt sich durch die Menschen, die die Praxis prägen und ist durchaus gestaltbar. Eine Vorbildfunktion kommt dabei insbesondere den Führungskräften zu. Sicher ist, dass die Kultur der Praxis nach innen und außen wirkt. Wenn es gelingt, die Mitarbeiter zu Fans ihrer eigenen Praxis zu machen, können sich Praxen keine besseren Botschafter wünschen.

Positive Praxiskultur zieht und bindet gute Mitarbeiter

Schauen wir uns an, wie sich das Engagement für ein tolles Team am Arbeitsmarkt auswirkt. Laut dem Hays HR-Report, welcher jährlich erscheint, ist ein gutes Betriebsklima der wichtigste Faktor in der Mitarbeiterbindung. Ein interessantes Aufgabenspektrum folgt auf dem zweiten und adäquate Bezahlung auf dem dritten Rang. Ob Mitarbeiter bleiben, ist stark an das Betriebsklima geknüpft. Doch eben nicht ausschließlich. Weitere Motivatoren, in einer Praxis zu bleiben und beste Leistung zu erbringen sind:

  • Onboarding: Es braucht Motivation und Aufmerksamkeit für die Mitarbeiter vom ersten Tag an.
  • Anreizsysteme: Optimale Leistungsbereitschaft durch monetäre und nicht-monetäre Anreize.
  • Führungsstil: nachvollziehbar, fair, glaubwürdig (siehe oben, um Vertrauen aufzubauen)
  • Personalentwicklung: Schaffen von Perspektiven in der Karriere, Ausbau der Leistungsfähigkeit.

Sehr gute Arbeitgeber verzeichnen im Durchschnitt zu anderen um ein Drittel weniger Ausfälle und Fluktuation und erhalten etwa 30 Prozent mehr Initiativbewerbungen. Ein Grund dafür kann auch die erhöhte Bereitschaft der Kollegen im Team sein, den Arbeitgeber zu empfehlen. Das ergaben die Benchmark-Befragung von Great Place to Work® in den Jahren 2011 bis 2015. Und daran sollte sich auch bis heute wenig geändert haben.

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